Haarbild, blondes Haar in Kranzform, 19. Jahrhundert, 36 x 34 cm, Museumshof Gescher, Inv. Nr. 109.
© Stadt Gescher

Haarbild in Kranzform aus dem Heimathaus

Erinnerungsstücke aus Haaren

Die Herstellung von Schmuck und Bildern aus Haaren war in der Volkskunst des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. So war es zum Beispiel ein gängiger Hochzeitsbrauch, dass aus dem abgeschnittenen Zopf der Braut ein Schmuckstück für den Bräutigam gefertigt wurde. Da Haare auch nach dem Tod nicht zerfallen, boten sie sich in besonderem Maße an, um eine Erinnerung an eine nahestehende Person zu bewahren.

Nicht zufällig stammen die meisten künstlerischen Arbeiten aus Haaren aus dem ausgehenden 18. und dem 19. Jahrhundert. Damals erhielt das Gefühl und damit auch die Wertschätzung von Freundschaft und Liebe einen neuen, bis dahin nicht gekannten Stellenwert. Zu dieser Haltung passten Schmuckstücke aus Haaren, die zunächst ein Phänomen der bürgerlichen Oberschicht, aber auch des Adels waren. Haarschmuck war dabei wertvollen Juwelen gleichgestellt. Erst zur Zeit des Biedermeier (1830 – 1848) wurden derartige Arbeiten in breiteren Bevölkerungsschichten aufgegriffen.

Zwischen Zeitvertreib und Gewerbe

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Herstellung von Haarbildern, mit denen das Bürgertum seine Wohnungen schmückte, in Europa weit verbreitet. Für die Anfertigung gab es eigene Anleitungen. Damen aus dem Adel und der bürgerlichen Oberschicht stellten diese Erinnerungsstücke teilweise selbst her, nicht zuletzt um sicherzustellen, dass kein fremdes Haar verwendet wurde. Auch Klosterarbeiten von Nonnen oder Werke von Soldaten, die ihr eigenes Haar von der Front an ihre Verwandten zu Hause sandten, sind überliefert. Vielerorts wurden solche Arbeiten aber auch durch Spezialisten ausgeführt, die oft ehemalige Perückenmacher, Friseure, Posamentierer, Näherinnen oder Knopfmacherinnen waren. Viele Haararbeiten führten Frauen aus, da es sich hierbei um ein Handwerk ohne Zunftpflicht handelte, dessen Ausübung ihnen offenstand. Besonders verbreitet war die Tätigkeit schwedischer Wanderarbeiterinnen aus der Region Dalarna.

Für die Herstellung wurden verschiedene Klöppel-, Flecht- und Klebetechniken verwendet. Außerdem wurde mit Haaren gestickt. Blumenkränze, wie der aus dem Heimathaus Gescher, waren besonders ab den 1830er Jahren beliebt. Hierfür formte man das zuvor mit Lösungen präparierte Haar über eine Stricknadel und gab anschließend Schellack darüber. Zur Bildung der Blüten und Blätter wurden Haarschlingen um eine Perle gedreht oder die Haare um eine Drahtschlinge gewebt.

Im 20. Jahrhundert ließ die Mode der Haararbeiten nach, wohl nicht zuletzt durch die Verbreitung der Fotografie, die eine neue Erinnerungskultur mit sich brachte.

Literatur (Auswahl):

Jana Wittenzellner: Haarbilder. Erinnerungen unter Glas. Die Sammlung des MEK, Husum 2020.

Christa Svoboda und Eva Maria Feldiinger (Hrsg.): „Haargenau“. Schmuck und Bilder aus Haar aus der Sammlung des Salzburger Museums Carolino Augusteum, Salzburg 1996.